Beizmittel sind in diesem Jahr Mangelware
Beim Pflanzen der Kartoffeln konnten in der Vergangenheit Krankheiten wie Silberschorf, Colletotrichum oder Rhizocotonia solani durch eine Furchenbehandlung oder eine klassische Beizung bekämpft werden. Letztere ist zumindest in diesem Jahr aufgrund der Zulassungssituation und der Warenverfügbarkeit oft aber nicht möglich. Weitere Einzelheiten lesen Sie im folgenden Artikel
Welche Krankheiten lassen sich bekämpfen?
Der bekannteste Krankheitserreger ist Rhizoctonia solani, der erhebliche Qualitätseinbußen hervorrufen kann. So beeinflusst der Pilz die Sortierung negativ. Kommt es z.B. zu einem Befall der Stolonen, werden zahlreiche neue Seitenstolonen gebildet. Hierdurch entstehen viele kleine, teilweise deformierte Knollen, die sog. Grützeknollen. Umgekehrt werden an Pflanzen mit verringerter Stängelzahl wenige große Knollen gebildet, die ebenfalls Missbildungen wie Einschnürungen oder Verformungen aufweisen können. Insofern führt der Befall mit Rhizoctonia solani neben Ertragseinbußen zu einem erhöhten Anteil an Über- und Untergrößen - Qualitätseinbußen sind die Folge.
Erhebliche Qualitätsprobleme verursacht vor allem das sog. „dry-core-Symptom“. Es handelt sich hier um Löcher von ca. 3 mm Durchmesser, die von der Knollenoberfläche bis ca. 1 cm tief in die Knolle reichen. Wegen dieses Aussehens werden sie leicht mit Drahtwurmfraß verwechselt. Im Unterschied zu den Fraßlöchern des Drahtwurms sind beim Rhizoctonia-Befall Epidermisfetzen zu sehen, die am Lochrand leicht überstehen. Dry core wird durch Drahtwurmbefall gefördert. Dieses Symptom entsteht aber auch, wenn Rhizoctonia solani durch die Lentizellen in die Knollen eindringt. Dies ist bei feuchten Bodenbedingungen besonders gut möglich.
Ein Vermarktungsproblem stellen auch die schwarzen pockenähnlichen Sklerotien dar, die auf der Kartoffelschale haften und dem Pilz zur Überdauerung dienen.
Welche Faktoren beeinflussen den Befall mit Rhizoctonia?
Hier ist an erster Stelle die Häufigkeit des Kartoffelanbaus zu nennen: Je weiter die Kartoffeln in der Fruchtfolge stehen, desto geringer ist das Befallsrisiko und umgekehrt. Werden die Kartoffeln in einem 5jährigen Rhythmus angebaut, kann von einem geringen Infektionsrisiko ausgegangen werden. Erfolgt der Kartoffelanbau dagegen alle 3 Jahre auf derselben Fläche, muss mit einem hohen Infektionsrisiko gerechnet werden.
Als weitere Einflussfaktoren sind die Bodenart, der Humusgehalt und die organische Düngung zu nennen. So ist das Befallsniveau auf leichten, sandigen Böden eher gering. Dagegen tritt die Krankheit auf schweren Böden, die kalt, feucht und wenig durchlüftet sind, bevorzugt auf. Bezüglich der organischen Substanz im Boden ist festzuhalten, dass der Befall umso stärker wird, je humusreicher die Ackerkrume (über 4-5 %) ist. Eine Strohdüngung bzw. jegliche Form der organischen Düngung muss daher kritisch gesehen werden.
Eine entscheidende Rolle spielt auch die Bodentemperatur. Bei niedrigen Temperaturen wird die Knollenkeimung verzögert. Je länger die weißen Keime im Boden bleiben, desto eher können die Triebspitzen vom Erreger befallen werden. Entsprechend hoch ist dann der Befall. Daher wirken alle acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen, die einen zügigen Pflanzenauflauf fördern, einer Infektion mit Rhizoctonia entgegen.
Besonders hinweisen möchten wir auf die Verwendung von gesundem Pflanzgut, das weitestgehend frei von Pocken bzw. Sklerotien sein sollte. Auf diese Weise lassen sich der Ertrag und die Qualität des Erntegutes nachhaltig steigern.
Woran ist Silberschorf zu erkennen?
Zunächst ist festzuhalten, dass der Erreger des Silberschorfs (Helminthosporium solani) nur an den Knollen auftritt. Der oberirdische Teil der Pflanzen bleibt unberührt. Befall lässt sich zur Ernte nicht oder nur als schwach verfärbte Flecken erkennen. Da die Symptome zu diesem frühen Zeitpunkt meist sehr unauffällig sind, werden sie leicht übersehen oder nur bei eingehender Betrachtung bzw. nach dem Waschen der Knolle wahrgenommen. Werden die Kartoffeln allerdings spät geerntet, können bereits beim Einlagern die typischen Silberschorfsymptome auftreten. In der Regel entwickeln sich die Symptome erst während der Lagerung, so dass der Silberschorf eine echte Lagerkrankheit ist.
Die silbergraue Färbung an der Knolle, die der Krankheit auch den Namen gegeben hat, entsteht, wenn sich die befallenen Korkzellen vom übrigen Zellverband lösen und Luft in diesen Hohlraum eindringt. Das Licht wird reflektiert und ruft die silberartige Verfärbung hervor, die vor allem bei rotschaligen Knollen besonders auffällig ist. Die Läsionen weisen eine unregelmäßige Form und Gestalt auf. Ihre Größe hängt von der Schwere des Befalls ab - auch die gesamte Knolle kann mit Silberschorf befallen sein.
Eine sichere Diagnose dieser Krankheit ist nur mit einer ausreichenden Vergrößerung (ca. 25 –fach) möglich. Dann lassen sich dunkle Sporenträger, die von der Form an Tannenbäume erinnern, auf den Befallsstellen erkennen.
Wie äußert sich der Befall mit Colletotrichum?
Auch der Erreger der Colletotrichum-Welkekrankheit (Colletotricum coccodes) verursacht auf der Knollenschale Symptome. Die hell- bis dunkelgrauen, unregelmäßig geformten Flecke sind extrem leicht mit Silberschorf zu verwechseln. Eine sichere Diagnose ist hier ebenfalls nur mit guter Optik (25-fache Vergrößerung) möglich. Es lassen sich dann dunkle, etwa 0,2 – 0,5 mm große Punkte (= Myzelzusammenballungen) erkennen. Diese sklerotienartigen Gebilde sind mit dunklen Borsten besetzt und haben somit ein völlig anderes Aussehen als die Sporenträger des Silberschorfs.
Im Gegensatz zum Silberschorf befällt Colletotrichum neben der Knolle auch andere Pflanzenteile. So kann der Pilz das Wurzelsystem zerstören und dadurch die Welke einzelner Triebe oder der gesammten Pflanze verursachen. Im Feld sind dann braun-grüne Stängel zu sehen, an denen die Blätter schlaff herunterhängen und unter Braunfärbung vertrocknen. Später bilden sich auf den absterbenden bzw. abgestorbenen Kartoffelstängeln die bereits oben beschriebenen, sklerotienartigen Gebilde und ermöglichen im Feld eine sichere Erregeransprache.
Was ist bei der Furchenbehandlung zu beachten?
Die Furchenbehandlung hat sich auf nicht drainierten Flächen durch seine Wirkungsvorteile zum Standardverfahren entwickelt. Bei der Furchenbehandlung wird ausschließlich der Boden behandelt. Ein Knollenkontakt der Spritzflüssigkeit ist unter allen Umständen zu verhindern. Andernfalls sind deutliche Verträglichkeitsprobleme vorprogrammiert. Um eine direkte Benetzung des Pflanzgutes mit Ortiva zu vermeiden, sind die Düsen am Legegerät entsprechend anzuordnen. Hier hat es sich bewährt, 1/3 der Spritzflüssigkeit vor der Knollenablage in die offene Furche und 2/3 der Spritzflüssigkeit hinter der Knollenablage in den Erdstrom zu applizieren.
Doch auch wenn diese Vorgaben beachtet werden, ist speziell auf leichten, humusarmen Böden mit Auflaufverzögerungen zu rechnen. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir auf den sandigen Böden der Lüneburger Heide maximal 2 l/ha Ortiva einzusetzen. Auf diese Weise steigt die Verträglichkeit deutlich an, während sich der Wirkungsabfall, der sich aus der Verringerung der Aufwandmenge ergibt, in Grenzen hält.
Die Aufwandmenge von 2 l/ha ist daher ein idealer Kompromiss aus Verträglichkeit und Wirkungssicherheit, wodurch sich die Anwendung von 2 l/ha Ortiva zu einer Standardempfehlung für Qualitätskartoffeln entwickelt hat. Lediglich bei Sorten mit empfindlichem Auflaufverhalten (z.B. Allians, Belana, Laura oder Regina) empfehlen wir die Aufwandmenge weiter zu reduzieren und nur 1 l/ha Ortiva einzusetzen. Doch selbst mit dieser geringen Menge fällt die Wirkung immer noch besser aus als mit den herkömmlichen Standardbeizen.
Welche weiteren Möglichkeiten der Bekämpfung gibt es?
Auf drainierten Flächen ist der Einsatz von Ortiva und anderen Azoxystrobin-Soloprodukten leider nicht möglich. Mit Alternativen sieht es in diesem Jahr bescheiden aus:
Bei Tolclofos-Methy 25 SC bzw. Risolex fl. ist die Aufbrauchfrist im Oktober letzten Jahres abgelaufen, der Einsatz somit verboten.
Moncut hatte zwar jahrelang eine Zulassung als Flüssigbeize. Mit der Neuzulassung im Sommer 2020 wurde der Einsatz aber auf die Anwendung vor dem Legen der Kartoffel (Mantis bzw. ULV Technik) begrenzt. Die Anwendung beim Legen, also an der Pflanzmaschine, ist damit nicht mehr erlaubt.
Bei Emesto Silver verhält es sich so, dass der Zulassungsinhaber den Widerruf der Zulassung beantragt hat. Somit gilt für das Mittel eine Abverkaufsfrist bis zum 01. September dieses Jahres. Die Aufbrauchfrist endet am 01. September 2023. Emesto Silver darf in Pflanzkartoffeln lediglich im Mantisverfaren eingesetzt werden, während es in Konsumkartoffeln auch eine Zulassung als Beizmittel hat. Allerdings sind nur begrenzte Mengen im Markt vorhanden.
Aufgrund der Engpässe hat ein Verband eine Notfallzulassung nach Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für das Mittel Sercadis beantragt. Ob das Produkt im Rahmen einer Notfallzulassung in diesem Jahr zur Verfügung stehen wird, ist allerdings fraglich. Sercadis besteht aus dem Caboxamidwirkstoff Fluxapyroxad, der z.B. im Getreidefungizid Revytrex enthalten ist. Das Produkt wird bei uns an der Bezirksstelle Uelzen schon seit 2014 als Beizmittel geprüft.
Beim Ertrag lag das Sercadis auf einem Niveau mit dem im Beiverfahren eingesetzten Vergleichsprodukt Moncut. Ortiva fiel mit 2,0 l/ha in der Furchenbehandlung eingesetzt ertraglich leicht ab, wie die Grafik 1 zeigt. Mitte Oktober wurden die Varianten auf die Krankheiten Rhizoctonia, Silberschorf und Colletotrichum bonitiert. Sercadis zeigte bei allen drei Erregern eine bessere Wirkung als Moncut, kam aber nicht an die sehr guten Wirkungsgrade von Ortiva heran (Grafik 2). In Grafik 3 ist die Wirkung der Behandlungsmaßnahmen nach einer 5-monatigen Lagerung dargestellt. Die Bonitur zeigt, dass der Befall mit Silberschorf im Lager generell steigt. Durch den Einsatz von Sercadis und vor allem von Ortiva konnte die Befallsausbreitung eingedämmt werden.
Einstufung und Empfehlung
Anhand langjähriger Versuchsergebnisse wurden die verbliebenen Mittel in ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit bewertet (Grafik 4). Eine Behandlung mit der Mantis Technik ist zwar in der Tabelle aufgeführt, wird von uns aber wegen nicht ausreichender Verträglichkeit und einer schlechteren Wirkung nicht empfohlen. Denn mit dieser Applikationstechnik werden die vom Boden ausgehenden Infektionen nicht erfasst.
Die beiden Produkte Emesto Silver und Sercadis, ausgebracht jeweils an der Pflanzmaschine, haben eine durchschnittliche bis gute Wirkung auf Rhizoctonia. Gegen Silberschorf und Colletotrichum ist beim Emesto Silver bestenfalls eine geringe Nebenwirkung vorhanden, während Sercadis hier eine etwas bessere Wirksamkeit aufweist. Beide Produkte sind sehr verträglich.
Sinstar/Ortiva als Furchenbehandlung wurde von uns nicht nur mit der vollen Aufwandmenge von 3,0 l/ha beurteilt, sondern auch mit den geprüften 2,0 und 1,0 l/ha. Die Wirkung gegen alle drei Erreger ist besser als der bisherige Standard, selbst bei einer Aufwandmenge von nur 1,0 l/ha.
Wir fassen zusammen:
Im Qualitätskartoffelanbau hat sich die Furchenbehandlung mit Ortiva zum Standard entwickelt. Hierdurch wird der Befall mit Silberschorf, Colletotrichum und Rhizoctonia an der Knolle stark vermindert und der Marktwarenertrag gesteigert. Wehmutstropfen ist die Drainauflage. Durch die mangelnde Verfügbarkeit von Emesto Silver ist auf drainierten Flächen oft keine klassische Beizanwendung möglich.
Grafik 1: Beizversuche zwischen 2014 u. 2021, Ertrag relativ
Grafik 2: Beizversuche zwischen 2014 u. 2021, Bonituren im Herbst
Grafik 3: Beizversuche zwischen 2014 u. 2021, Bonituren im Frühjahr
Grafik 4: Einstufung der Beizmittel in Kartoffeln 2022
Grafik 5: Wichtige Auflagen für alle in der Furche zugelassenen azoxystrobinhaltigen
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