Abstände zu oberirdischen Gewässern richtig einhalten
Verordnungen, Rechte, Technik – Was muss alles beachtet werden?
Die Pflanzenschutzanwendungsverordnung sieht vor, dass in einem Abstand von 10 m zum Gewässer kein Pflanzenschutzmittel mehr angewendet werden darf. Eine Reduktion dieses Abstandes auf 5 m ist dann möglich, wenn eine geschlossene, ganzjährig begrünte Pflanzendecke existiert, die innerhalb von fünf Jahren nur einmal über eine Bodenbearbeitung erneuert werden darf. Ausnahmen gibt es für kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung und zur Abwendung erheblicher landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher oder sonstiger wirtschaftlicher Schäden oder zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt vor invasiven Arten.
Das Land Niedersachsen hat mit dem Niedersächsischen Weg eine eigene länderspezifische Regelung getroffen, dessen Inhalte ab dem 01.07.2022 in Kraft getreten sind. Der Niedersächsische Weg ist ein Positionspapier und beschreibt Festlegungen zu Maßnahmen der Artenvielfalt, Biodiversität, Reduktion des Pflanzenschutzmittels und unter anderem des Schutzes der Gewässer.
Nach § 58 Abs. 1 Niedersächsischer Weg Wassergesetz (NWG) gelten folgende Mindestabstände zu der Böschungsoberkannte:
Gewässer 1. Ordnung: 10 m
Gewässer 2. Ordnung: 5 m
Gewässer 3. Ordnung: 3 m
Eine (nicht vollständige) Übersicht der Gewässer ist unter www.umweltkarten-niedersachsen.de (Thema Hydrologie) einzusehen.
Der bisher geltende länderspezifische Mindestabstand von 1 m ist hierdurch nicht mehr ausreichend! Eine Ausnahme stellen Gewässer dar, die regelmäßig weniger als sechs Monate im Jahr wasserführend sind, wenn diese in das Verzeichnis trockenfallender Gewässer aufgenommen sind. Ein entsprechender Antrag ist beim NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) zu stellen (https://www.nlwkn.niedersachsen.de/verzeichnis-tg/verzeichnis-trockenfallender-gewasser-200424.html).
Gewässerabstände gemäß GAP-Konditionalitäten-Verordnung (GAPKondV)
Gemäß GAP GLÖZ 4 (Schaffung von Pufferstreifen entlang von Wasserläufen) ist bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, Bioziden und Düngemitteln ein Abstand von 3 m zur Böschungsoberkante einzuhalten. Gewässer, die nur die Grundstücke eines Eigentümers entwässern, sind von diesen Vorgaben ausgenommen.
Durch eine erfolgte Änderung des NWG und einen ergänzenden Erlass des Umweltministeriums ist nun ebenfalls geregelt, dass entlang trockenfallender und im entsprechenden NLWKN-Verzeichnis eingetragene Gewässer die Vorgaben zu GLÖZ 4 entfallen. Zu beachten ist hierbei, dass ein Gewässer auch wirklich als trockenfallend eingetragen sein muss.
Eine weitere Ausnahme gibt es in Gebieten mit hoher Gewässerdichte, in denen der Anteil der 3 m Gewässerrandstreifenregelung mehr als 3 % der landwirtschaftlichen Fläche beträgt. Um die Grundfutterversorgung der Tiere sicher zu stellen kann in diesen ausgewiesenen Gebieten auf Dauergrünland oder für den Grundfutteranbau genutzte Ackerflächen der Abstand zur Böschungsoberkannte auf einen Meter begrünten Randstreifen festgelegt werden.
Pflanzenschutzrechliche Bestimmungen
Neben den oben angesprochenen wasserrechtlichen Regelungen zu den Gewässerabständen müssen Sie weiterhin die pflanzenschutzrechtlichen Anwendungsbestimmungen für jedes zugelassene Pflanzenschutzmittel beachten. Abhängig von dem Produkt und der eingesetzten Technik können sich noch größere Abstände zu Gewässern ergeben. Zuwiderhandlungen sowie ein Verzicht auf den Einsatz verlustmindernder Technik können mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 € geahndet werden. Die NW-Anwendungsbestimmungen gelten für alle periodisch oder permanent wasserführende Gewässer. Charakteristische Merkmale dieser zwei Gewässertypen sind ein Gewässerbett als auch eine vorhandene Gewässervegetation.
In der Gebrauchsanweisung eines zugelassenen Pflanzenschutzmittels finden Sie Angaben zum Mindestabstand zu Oberflächengewässern. Beschrieben wird der Regelabstand zu dem Oberflächengewässer, wo das Pflanzenschutzmittel nicht ausgebracht werden darf, wenn keine Abdriftminderung erreicht oder vorhanden ist. Weiterhin kann ein Mindestabstand bei einer Abdriftminderungsklasse von 50 %, 75 % und 90 % angegeben sein. Die Abstände werden in Metern oder auch „*“ angegeben. Ein „*“ bedeutet, dass der länderspezifisch vorgegebene Mindestabstand gilt (in Niedersachsen 1m). Darüber hinaus muss das Verbot der Anwendung in oder unmittelbar am Gewässer beachtet werden. Bei einem Produkt ohne NW-Anwendungsbestimmungen muss weiterhin das Niedersächsische Wassergesetz (NWG) beachtet werden, somit ist an einem Gewässer der 2. Ordnung ein Abstand von 5 m zur Böschungsoberkannte einzuhalten, auch wenn die Abstände durch Abdriftminderungsklassen bei 50, 75 oder 90 % geringer ausfallen.
Diese Abstände können sich bei Neuzulassungen von bekannten Präparaten oder auch Wiederzulassungen ändern. Deswegen ist es wichtig die Anwendungsbestimmungen der Mittel in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.
Beispiel:
Für das Herbizid Herold SC wird die Anwendungsbestimmung NW 607 ausgewiesen:
„Die Anwendung des Mittels auf Flächen in Nachbarschaft von Oberflächengewässern - ausgenommen nur gelegentlich wasserführende, aber einschließlich periodisch wasserführender Oberflächengewässer - muss mit einem Gerät erfolgen, das in das Verzeichnis "Verlustmindernde Geräte" vom 14. Oktober 1993 (Bundesanzeiger Nr. 205, S. 9780) in der jeweils geltenden Fassung eingetragen ist. Dabei sind, in Abhängigkeit von den unten aufgeführten Abdriftminderungsklassen der verwendeten Geräte, die im Folgenden genannten Abstände zu Oberflächengewässern einzuhalten. Für die mit "*" gekennzeichneten Abdriftminderungsklassen ist, neben dem gemäß Länderrecht verbindlich vorgegebenen Mindestabstand zu Oberflächengewässern, § 6 Absatz 2 Satz 2 PflSchG zu beachten.“
Regelabstand: Einsatz nur mit verlustmindernder Technik
Reduzierte Abstände: 50% 15 m, 75 % 10 m, 90 % 5 m
Die Anwendungsbestimmung besagt, dass Sie mit dem Herbizid maximal 5 m an die Böschungsoberkannte des Gewässers behandeln dürfen. Weiterhin muss dafür ein Gerät (die eingesetzte Düse) in das Verzeichnis für verlustmindernde Technik eingetragen sein. Alle Informationen zu ihrer Düse finden Sie auf der Seite des JKI unter dem Fachgebiet Anwendungstechnik https://www.julius-kuehn.de/at/richtlinien-listen-pruefberichte-und-antraege/. Das Verzeichnis oder auch die Universaltabellen unterhalb dieses Artikels geben Aufschluss, unter welchen Bedingungen der Anwender eine der Abdriftminderungsklassen erreichen kann.
Viele Düsenhersteller bewerben ihre Produkte mit der JKI-Anerkennung für verlustmindernde Technik und Eintragung der Düse in eine Abdriftminderungsklasse von bis zu 90 %. Gleichzeitig wird von einer Abdriftstabilität über einen weiten Druckbereich gesprochen, sowie ein optimaler Druck bzw. der empfohlene Betriebsdruck vorgeschrieben. In diesen Bereichen kann eine gute Belagsstruktur als auch eine ausreichende Bestandsdurchdringung erreicht werden. Dem Anwender wird hierdurch suggeriert, dass er in diesem Druckbereich eine gute Benetzung bei gleichzeitig geringen Abdriftrisiko erreicht. Dieses ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Die meisten Düsen haben in den empfohlenen Druckbereichen eine niedrigere Abdriftminderungsklasse als viele annehmen.
Die Parameter Bedeckungspotential, Bestandesdurchdringung und auch das Abdriftrisiko variieren in Abhängigkeit von der Tropfengröße, welche maßgeblich von dem Druck beeinflusst werden. Bei einem niedrigen Druck nehmen die Tropfengrößen zu. Dieses mindert das Bedeckungspotential und das Abdriftrisiko, erhöht aber gleichzeitig die Möglichkeit der Bestandesdurchdringung. Für eine Applikation mit Kontaktmitteln wird ein feines bis mittleres Tropfenspektrum als ideal beschrieben, da es hier auf eine optimale Wirkstoffverteilung ankommt. Hierfür muss eine Anwendung im oberen Druckbereich der Düse erfolgen. Beim Einsatz systemischer Mittel reicht oft ein mittleres bis grobes Tropfenspektrum aus, da es hier auf die Bestandes-Durchdringung ankommt. Die Anwendung systemischer Mittel kann im unteren Druckbereich der Düse gefahren werden.
Eine Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln stellt somit immer einen Kompromiss zwischen der Bedeckung an der Kulturpflanze und der Abdrift dar, weil die Merkmale nur in unterschiedlichen Druckbereichen erreicht werden können. Der Anwender muss sich also in den Randbereichen oft entscheiden, ob er eine gute Wirkung bei einem höheren Abstand zu Gewässern akzeptiert oder eine schlechtere Benetzung bei einem geringen Abstand zu einem Gewässer in Kauf nehmen möchte.
In den letzten Jahren haben sich lange Injektor-Flachstrahldüsen in vielen Ackerbaubetrieben etabliert. Lange Injektor-Flachstrahldüsen zeichnen sich durch einen weiten Druckbereich aus und zeigen gute Bedeckungsgrade auf der Kulturpflanze in einem Druckbereich von 4 bis 8 bar. In diesem empfohlenen Druckbereich wurde die ID-120-03 C nur für die Abdriftminderungsklasse 50 % anerkannt, somit müsste das Gerät bei der Ausbringung mit dem Mittel Herold SC mindestens 15 m Abstand zu permanent und periodisch wasserführenden Gewässern einhalten. Erst ab einem Druckbereich < 2,5 bar wird von der oben genannten Düse ein Tropfenspektrum erreicht, welches grobtropfig genug ist, um als eine Abdriftminderungsklasse von 90 % anerkannt zu werden. Der Anwender könnte somit bei einer Wasseraufwandmenge von 250 l/ha und einem Druck von 2,5 bar den Abstand zum Gewässer auf bis zu 5 m verringern. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt hierbei ca. 5 km/h. In der Fläche - außerhalb des produktabhängigen Regelabstandes - kann bei gleicher Wasseraufwandmenge und einem Druck von ca. 5 bar problemlos Fahrgeschwindigkeiten von 8 km/h und gleichzeitig guter Benetzung gefahren werden.
Ebenso sind in der Praxis auch oft kurze oder kompakte Injektordüsen aller Hersteller zu finden. Die Flachstrahldüsen zeichnen sich durch ihre kompakte Bauart aus und weisen vereinzelt sogar Einstufungen von bis zu 95 % in der Abdriftminderung vor. Der empfohlene Druckbereich liegt hier meist zwischen 2 und 3 bar. Auch wenn die Datenblätter den Bereich bis 3 bar als abdriftarm und verlustmindernd beschreiben, liegt die Abdriftminderungsklasse bei der IDKN120-03 POM ebenfalls bei 50 %. Eine Einstufung zur Abdriftminderung von 90 % ist bei dieser Düse nur in einem Druckbereich von 1,0 bar gegeben. Viele Landwirte berichten in solch niedrigen Druckbereichen von Problemen mit ihren Membranventilen, die für einen ungewollten Tropfstop sorgen. Durch diese technischen Beschränkungen können viele Landwirte den Bereich der höchsten anerkannten Abdriftminderungsklasse gar nicht erreichen. Bei einem Druck von 1,2 bis 1,5 bar hat die genannte Düse eine Abdriftminderungsklasse von 75 %. Der Anwender müsste bei einer Wasseraufwandmenge von 250 l/ha und 1,5 bar Druck einen Gewässerabstand von 10 m zur Böschungsaberkannte einhalten. Die Fahrgeschwindigkeit liegt hier bei ca. 4 km/h.
Aus diesem Grund können wir Ihnen nur empfehlen, die Einstufungen der eingesetzten Düsen am Pflanzenschutzgerät zu überprüfen. Durch die immer besser werdende Analytik der Labore ist es für den Prüfdienst leicht herauszufinden, wieviel Rückstände in dem nicht zu behandelnden Abstand zu den Gewässertypen vorliegen dürfen. Bei Missachtung können hohe Bußgelder entstehen, die leicht zu verhindern wären.
Einige Betriebe haben sich bereits für ein Pflanzenschutzgerät mit einer PWM (Pulsweitenmodulation)-Technik entschieden. Bei einem aktiven PWM-System hat das eingesetzte Gerät immer eine schlechtere Abdriftminderungsklasse als die JKI-Anerkennung im Verzeichnis der verlustmindernden Technik vorgibt. Die eigentliche Abdriftminderungsklasse kann der Anwender einer Feldspritze mit PWM-Technik nur dann erreichen, wenn er den Duty Cycle auf 100 % einstellt oder das System deaktiviert. Ausnahmen stellen Düsen dar, welche speziell nur für den Einsatz von PWM-Technik hergestellt wurden.
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